Um andere Men­schen führen zu können, musst du zuerst dich selbst an die Hand nehmen. So gelingt es dir, Selbst­füh­rung in dein Berufs­le­ben zu inte­grie­ren und mit acht­sa­mer Füh­rung ins Außen zu treten.

Von Sarah Schömbs

Wir Men­schen sind gut darin, zu dele­gie­ren und Fehler sowie Opti­mie­rungs­lö­sun­gen außer­halb von uns selbst zu suchen, mit voller Kon­zen­tra­tion auf das, was vor uns liegt. Weni­ger gut sind wir wenn es darum geht, den Blick nach Innen zu lenken. Dabei sollte ein Akt der Füh­rung mit Selbst­füh­rung beginn­nen. Selbst­füh­rung ist enorm wich­tig, um authen­tisch und glaub­haft auf­zu­tre­ten und andere Men­schen führen zu können.

Die Gesell­schaft hat in den letz­ten Jahr­zehn­ten und viel­leicht sogar Jahr­hun­der­ten ein eige­nes Bild von idea­ler Füh­rung eta­bliert. In einem tra­di­tio­nel­len Kon­text bedeu­tet Füh­rung so etwas wie ​„ver­ant­wor­tungs­vol­les Leiten“, also das Leiten/​Anleiten von oben nach unten. Klar abge­grenzt durch hier­ar­chi­sche Struk­tu­ren und ein­deu­ti­gen Dif­fe­ren­zie­run­gen inner­halb eines Unter­neh­mens.

Viele asso­zi­ie­ren Füh­rung immer noch mit nüch­ter­nen Her­an­ge­hens- und Vor­ge­hens­wei­sen à la Pro­zess­op­ti­mie­rung, Gewinn­ma­xi­mie­rung und mög­lichst schnel­ler Ziel­er­rei­chung. Klas­si­sches Top-Down-Prin­zip. Die Macht und Auto­ri­tät obliegt der Person, die führt. Mitt­ler­weile ist ein Wandel in der Füh­rungs­szene spür­bar: Die Hier­ar­chie­struk­tu­ren werden immer mehr auf­ge­bro­chen und eine Füh­rungs­per­son ver­steht sich mehr als Ver­mitt­ler, der oder die Kom­mu­ni­ka­tion för­dert und als Ansprech­part­ner oder Ansprech­part­ne­rin mit Beto­nung auf Part­ner. In diesem Arti­kel erfährst du, was acht­same Füh­rung bedeu­tet und wieso es ins­be­son­dere in Lei­tungs­po­si­tio­nen so wich­tig ist, sich zunächst der Frage der Selbst­füh­rung zu widmen.

Selbst­re­fle­xion ist die Basis der Selbst­füh­rung

Der erste und wich­tigste Schritt im Bereich acht­sa­mer Füh­rung, und damit ein­her­ge­hend Selbst­ma­nage­ment und Selbst­füh­rung, ist die Selbst­re­fle­xion. Richte hier­für die Auf­merk­sam­keit auf deine Person, deine Fähig­kei­ten und werde dir deiner Poten­ziale und Werte bewusst.

Wie lauten die Werte, die dich aus­ma­chen und die du ver­mit­teln möch­test? Welche Hal­tung, welche Ein­stel­lung möch­test du in Bezug auf andere Mit­men­schen ein­neh­men und was defi­nierst du für dich als Erfolgs­er­leb­nis? Legst du beson­de­res Augen­merk auf das Arbeits­klima und die Atmo­sphäre inner­halb des Teams und inner­halb des Unter­neh­mens? Zielst du darauf ab, die Poten­tiale deiner Mit­ar­bei­ter zu ent­de­cken und zu ent­fal­ten oder möch­test du primär eine mög­lichst schnelle und effi­zi­ente Ziel­rea­li­sie­rung errei­chen?

Beginne also, dein Denken und Han­deln zu ana­ly­sie­ren und zu hin­ter­fra­gen, um mehr über dich her­aus­zu­fin­den und authen­tisch, deiner Person ent­spre­chend, führen zu können.

Was bedeu­ten Moti­va­tion und Struk­tur für mich?

Füh­rung bedeu­tet nicht nur, Struk­tu­ren inner­halb des Teams oder des Unter­neh­mens schaf­fen zu wollen, son­dern diese Struk­tu­ren auch auf den eige­nen Geist und das eigene Vor­ge­hen zu über­tra­gen. Beginne, in deinem Kopf auf­zu­räu­men. Ein klarer Ver­stand ist die Vor­aus­set­zung, um mit Klar­heit agie­ren und inter­agie­ren zu können.

Ähn­lich ver­hält es sich mit der Moti­va­tion. Es ist leich­ter, andere Per­so­nen zu moti­vie­ren und sie für etwas zu begeis­tern. Über­prüfe, ob du ähn­lich moti­vie­rende Glau­bens­sätze und Anreize für dein eige­nes Sein, für die eigene Arbeit hegst und pflegst. Gehe von ​“You can do it” zu ​“I can do it”. Was moti­viert dich?

Selbst­füh­rung heißt auch, dir selbst Feed­back zu geben

Eine beson­dere Her­aus­for­de­rung im Bereich Füh­rung betrifft das Feed­back. Feed­back — das Kon­zept der kon­struk­ti­ven Rück­mel­dung — ist nicht nur auf Mit­ar­bei­ter oder Per­so­nen in deinem Umfeld anzu­wen­den, son­dern auch auf deine eigene Person. Stelle immer wieder Kon­takt zu dir selbst her, lerne dir ein Feed­back zu geben. Sowohl posi­tiv als auch nega­tiv. Erlaube dir , dir selbst auf die Schul­ter zu klop­fen und auch, dich zu ermah­nen, wenn du gedan­ken­los bist. Regis­triere, falls eine Hand­lung nicht deinen Werten und deiner inne­ren Ein­stel­lung ent­spricht und richte dich neu aus.

Hier kann es helfen, eine Art Feed­back­bo­gen für dich selbst zu erstel­len den du bei­spiels­weise einmal in der Woche oder monat­lich acht­sam aus­füllst. So reflek­tierst du nicht nur die ver­gan­ge­nen Ereig­nisse, son­dern auch dein eige­nes Han­deln.

Emo­tio­nen und Füh­rung — Passt das zusam­men?

Zuletzt möch­ten wir auf den Aspekt der Emo­tio­nen ein­ge­hen. Intui­tiv haben Emo­tio­nen und Gefühle am Arbeits­platz nichts ver­lo­ren. Das ist zumin­dest die gän­gige Mei­nung, obwohl Emo­tio­nen wie Freude, Wut, Neid und Zorn im Arbeits­le­ben tag­täg­lich statt­fin­den und erlebt werden. Viel­mehr sollte ein sou­ve­rä­ner und kon­struk­ti­ver Umgang mit den eige­nen Emo­tio­nen erlernt und ver­mit­telt werden. Emo­tio­nen sind der Schlüs­sel zu einer Iden­ti­fi­ka­tion mit dem Arbeits­platz. Sowohl nega­tive als auch posi­tive Emo­tio­nen för­dern die Authen­ti­zi­tät der füh­ren­den Per­sön­lich­keit.

Wich­tig ist, Emo­tio­nen lesen zu können. Laut Michael Bloch­ber­ger, Experte für Emo­tio­nale Intel­li­genz und Autor des Buches Emo­tio­nale Intel­li­genz in der Mit­ar­bei­ter­füh­rung, führt Ver­ständ­nis zu Ver­trauen und Sicher­heit, wäh­rend gezielte Aggres­sion erkenn­bare Gren­zen setzt und klare Regeln signa­li­siert. Der Unter­schied liegt darin, ob wir reflek­tiert mit unse­ren Gefüh­len umge­hen oder sie unge­fil­tert raus­las­sen. Hin­ter­frage deine Aggres­si­vi­tät. Hat sie wirk­lich etwas mit einem Kol­le­gen oder Mit­ar­bei­ter zu tun oder bist du inner­lich gereizt, weil du schon die halbe Woche ohne Mit­tags­paus durch­ackerst? Ver­giss nicht, fair zu blei­ben und deine emo­tio­na­len Reak­tio­nen bei Bedarf auch mal zu hin­ter­fra­gen. Keine Füh­rungs­kraft ist per­fekt, weil kein Mensch per­fekt ist. Ertappe dich dabei, wenn du gedan­ken­los oder impul­siv reagierst. In den meis­ten Fällen fin­dest du in der ande­ren Person zwar den Aus­lö­ser, nicht aber den wahren Grund für deinen Gefühls­aus­bruch.

Der zuletzt ver­öf­fent­lichte Gallup Index, die umfang­reichste Studie zur Arbeits­platz­qua­li­tät deutsch­land­weit, ver­an­schau­licht zudem deut­lich, wie wich­tig eine emo­tio­nale Bin­dung zum direk­ten Arbeits­um­feld und somit zum Vor­ge­setz­ten ist: Im Jahr 2016 mach­ten etwa 70% der Beschäf­tig­ten ihren Dienst ledig­lich nach Vor­schrift und gaben an, emo­tio­nal gering gebun­den zu sein. Ganze 15% hätten bereits inner­lich gekün­digt. Emo­tio­nen sind also der Schlüs­sel zu einer ver­ant­wor­tungs­be­wuss­ten Füh­rung und auch Bin­dung zwi­schen Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer.

Inne­rer Check-In

Eines haben alle Punkte gemein­sam: Gehe immer wieder in eine Art ​„Inne­ren Check-In“ und über­prüfe deine Inten­tion sowie die Art und Weise der Umset­zung. Ehr­li­ches, authen­ti­sches und nach­voll­zieh­ba­res Denken und Han­deln sind gefragt. Lerne dabei, Füh­rung als aktive Aus­ein­an­der­set­zung mit dir selbst zu ver­ste­hen. Dies kannst du direkt von der Arbeits­welt in das pri­vate Leben trans­fe­rie­ren. Schließ­lich geht es auch privat darum, authen­tisch im Außen deine Wahr­heit leben und ver­mit­teln zu können. Acht­sam­keit kann dich dabei unter­stüt­zen, indem sie deine Beob­ach­tungs­gabe stärkt und in ent­schei­den­den Momen­ten einen Raum schafft, in dem du dich selbst erken­nen kannst.