- von Laura Melzer

Ein leises Vogelgezwitscher, raschelnde Bäume im Wind und nichts als Stille – so klingt die Geräuschkulisse am Benediktushof, einem Zentrum für Meditation- und Achtsamkeit zwischen den Weinbergen in Würzburg. Vom 23. bis zum 25. Juni 2019 trafen sich hier wieder rund 100 Führungskräfte und Wirtschaftsvertreter, um gemeinsam mit Speakern aus der Wissenschaft, der Unternehmenspraxis und Lehrern der großen Weisheitstraditionen das Thema Achtsamkeit zu diskutieren.

Wie kam es eigentlich zur MIND-Konferenz? Die Gründer sind überzeugt, „dass Führungskräfte die Möglichkeit haben, Einfluss auf die Zukunft zu nehmen, wie es vielleicht in keiner zweiten Disziplin möglich ist.“ Deshalb riefen Jonas Leve, Manuel Ronnefeldt und Annabelle Jenisch, die alle ein Wirtschaftsstudium an der Universität Witten/Herdecke absolviert haben, die MIND Konferenz ins Leben. Um nicht nur als Individuum das eigene Leben positiv zu verändern, sondern auch die eigene Organisation und die Gesellschaft, bedarf es einer achtsamen Haltung, so die Gründer. „Mit der MIND Konferenz wollen wir anhand von Workshops und Vorträgen zeigen, welche Formen diese positive Veränderung annehmen kann.“ Wie sich drei Tage vor Ort anfühlen, erzählt der folgende Rückblick – das war die MIND Konferenz 2019:

Sonntag: Mit Neugierde Gewohnheiten ändern

Ein strahlender Sommertag empfängt die ankommenden Gäste am Benediktushof. Nach der Anreise dauert es nicht lange, bis die ersten Führungskräfte ihre schicken Geschäftsanzüge in bequeme Sportkleidung umtauschen. Mit Vorfreude auf das Wochenende werden die Zimmer bezogen, dann neugierig die Gegend erkundet und das Programmheft überflogen. Von Stille ist bisher noch nicht viel zu spüren, erst als die Gäste zum gemeinsamen Abendessen um 17:30 Uhr in die Hausregeln des Benediktushofes eingeführt werden: zu Beginn wird ein Gong geschlagen, der zum Schweigen auffordert. Eine Mahlzeit in Stille einzunehmen ist für die meisten recht ungewohnt, auch wenn sich dadurch die regionale und vegetarische Hofküche bewusster genießen lässt.

Um 18 Uhr eröffnet der Moderator René Träder offiziell die Konferenz, der auch dem 7Mind Podcast seine Stimme verleiht. Auf seine humorvolle und kreative Art führt er die Teilnehmer mit bildhaften Überleitungen und anregenden Ideen durch das kommende Wochenende. Die erste Keynote hält Anna Kaiser, Geschäftsführerin von Tandemploy, über pragmatische Lösungen für einen humanitären Umgang mit dem digitalen Wandel. Darauffolgend fragt die Neurowissenschaftlerin Maren Urner, wie es gesellschaftlich weitergehen kann. Sie preist Neugierde als die wichtigste Eigenschaft an, um Gewohnheiten zu verändern. Es wird Zeit, dass Achtsamkeit auch in der Wirtschaft ankommt, fordert der Zen-Meister Alexander Poraj zum Abschluss des Abends auf.

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Montag: Das innere Navigationssystem ausrichten

Für die frühen Vögel klingelt am Montag pünktlich um 06:30 Uhr der Wecker, um mit einer Morgenpraxis in den Tag zu starten. Zur Auswahl stehen Yoga, Zen, QiGong oder Taiji-Chan. Für die Skeptiker, die bisher wenig von Achtsamkeit und Meditation halten, erklärt Peter Bostelmann, warum SAP meditiert. Wer als Führungskraft überzeugen will, muss in der Sprache seiner Zuhörer sprechen. Also weniger Spiritualität, mehr Zahlen und Fakten. In seinem Unternehmen belegen mittlerweile Studien, dass Meditation das Wohlbefinden und die Konzentration steigert und gleichzeitig das Stresslevel sinkt.

„Neue Gewohnheiten aufzubauen bedeutet immer auch, sich von alten Gewohnheiten zu trennen. Und genau das ist so schwierig, weil Gewohnheiten hartnäckig sind“, verdeutlicht René Träder. Um den theoretischen Input auch in die Praxis umsetzten zu können, beginnen ab 10 Uhr verschiedene Workshops. Zum Beispiel über kulturelle Rituale für eine zukunftsfähige Organisation von Blinkist-Gründer Niklas Janssen, zusammen mit Mirco Dismer vom DFB. In Partnergesprächen suchen die Teilnehmer nach ihren persönlichen Superkräften und schreiben diese auf ihr Namensschild. Manuel Ronnefeldt von 7Mind ist ein „Über-den-Tellerrand-Schauer“ und entwickelt im Workshop eine neue Idee für sein Team.

Eine neue Idee alleine reicht noch nicht aus, um ein Unternehmen voranzubringen. In der nächsten Keynote um 11:45 Uhr betont Vivian Dittmar, Expertin für emotionale Intelligenz, warum es wichtig ist, zunächst das innere Navigationssystem auszurichten. Erst wenn die Ratio mit Herz, Intuition, Inspiration und der Absicht zusammenarbeitet, führt das sogenannte „transrationale Denken“ zu ganzheitlichem Erfolg. Erst wenn Körper, Geist und Seele im Einklang sind, können Transformationsprozesse gelingen. Zur Stärkung des leiblichen Wohls verwöhnt die Hofküche um 12:30 Uhr wieder die Gäste. Und wie könnte die Mahlzeit besser verdaut werden, als bei einem gemütlichen Spaziergang durch die Wälder? Zusammen mit Experte Jürgen Dawo machen sich die Teilnehmer auf zum Waldbaden und nehmen dabei zum ersten Mal seit langem die Natur wieder bewusst war. Einige Teilnehmer waren seit ihrer Kindheit nicht mehr im Wald und berichten, dass sie wieder in Kontakt mit ihrem inneren Kind gekommen sind.

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Highlight des Abends ist der Erzählsalon mit niemand geringerem als Paul Kohtes, der gemeinsam mit René Träder in die 1001-Nacht-Geschichten vom Dax einführt. „Darf Arbeit Spaß machen?“ fragt Paul provozierend und schießt gleich hinterher: „Wenn bei mir jemand ohne zu Lachen den Raum verlässt, habe ich etwas falsch gemacht.“ In einem humorvollen Gesprächs-Ping-Pong werfen René und Paul sich die Bälle hin und her und regen zum Nachdenken an. Auch die eigene Motivation hinter der Meditation wird hinterfragt. So häufig machen wir etwas, um etwas zu erreichen. Nach dem Motto: Wenn ich meditiere und zu einem Vipassana-Retreat fahre, dann bin ich entspannt, dann habe ich es geschafft. Und dann? Dürfen die Dinge nicht auch einfach mal so sein, wie sie sind? Und Spaß machen? Zur Feier des So-Seins endet der Montagabend feuchtfröhlich mit Bio-Wein und Bier, musikalisch begleitet vom Jazz-Piano.

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Dienstag: Achtsamkeit in die Organisation tragen

Nach einer kurzen Nacht gibt es am nächsten Morgen um 6:30 Uhr wieder die Möglichkeit, Körper und Geist in Schwung zu bringen – beim Spirit Yoga, QiGong, einer Zen-Meditation oder Taiji-Chan. Die Gesundheit steht im Vordergrund, so auch bei der Keynote von Jos de Block, der ein neues Modell einer Patienten-zentrierten Gesundheits-Organisation gegründet hat. Für ihn gehen Vertrauen und flache Hierarchien in einem Unternehmen über Bürokratie. In der letzten Workshop-Reihe um 9:30 Uhr bringt es Frank Huppertz auf den Punkt: „Nenn's nicht Achtsamkeit, tu's einfach“ – davon Achtsamkeit in eine Organisation zu tragen, ohne groß darüber zu reden. Außerdem werden im Workshop von Christian Dittrich-Opitz, Begründer der befreiten Ernährung, die Lebensenergien geweckt und bei Vivian Dittmar und Paul Kohtes Konflikte aus dem Weg geräumt.

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„Wenn ich mache, dann bin ich. Wer bin ich aber, wenn ich ‚Nichts‘ mache?“ fragt Zen-Meister Alexander Poraj in seiner Abschluss Keynote. Wir stellen uns ständig die Frage ‚Wer bin ich?‘ Was aber, wenn uns stattdessen das Leben fragt: Wer bist du? Es fordert uns dazu auf, innezuhalten, still zu halten, leer zu werden. Und in der wachen Bewusstheit zu merken: Es ist, wie es ist. Inspiriert von den Inhalten und gesättigt von der Vollwertküche neigt sich die MIND Konferenz dem Ende zu. Was bleibt und was nehmen die Teilnehmer mit? Moderator René Träder verrät grinsend 7 Tipps, um tatsächlich eine Gewohnheit nachhaltig zu verändern:

  1. Ich muss es wirklich wollen.
  2. Ich muss es wirklich wollen.
  3. Ich muss es wirklich wollen.
  4. Ich muss es wirklich wollen.
  5. Ich muss es wirklich wollen.
  6. Ich muss es wirklich wollen.
  7. Ich muss es wirklich wollen.

Auch im nächsten Jahr wollen die Organisatoren wieder eine MIND Konferenz 2020 veranstalten und Führungskräfte in einer achtsamen Geisteshaltung schulen.