Wie schafft man es im bizarren Corona Homeoffice ein freundlicher Mensch und ein starkes Team zu bleiben! Tipps zur Balance, Konzentration und guten Meetings
Von Anita Verster und Dr. Yana Heussen
Arbeitsroutinen im Homeoffice
9:00, Thomas macht den Computer an. Alles quillt über — Email Postfach, Todo-Liste, Schreibtisch. 10:00 Stand-up. Thomas denkt danach: “Mein Team scheint den Überblick zu haben — ich habe ihn nicht. Trau ich mich aber auch nicht zu sagen. Was sollen die von mir denken. Wenn ich die Leute nur mal treffen könnte — das würde mir ein viel besseres Gefühl geben. Homeoffice habe ich mir echt anders erträumt.”
Unser Verhalten — eine Frage des Modus
Unser Gehirn hat die Tendenz auf ein derart komplexes Szenario auf eine ganz bestimmte Weise zu reagieren: Unsere gesamte Wahrnehmung und unser Verhalten geht vom Präsenzmodus in den Reaktionsmodus. Denn unser Gehirn ist im chronischen Stress. Es interpretiert die gerissene Deadline, die fehlende Verbindung zu unseren Liebsten und unserem Team als lebensbedrohlich. Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin fluten das Gehirn. Es aktiviert das sympathische Nervensystem (fight-flight-freeze-appease) jedes Mal, wenn wir gefühlt zu viele Emails und Slack-Nachrichten erspähen. Unser Verhalten und unsere Wahrnehmung sind dann eher reaktiv, rechthaberisch, defensiv, verschlossen. Allein gegen die Welt und Silodenken sind ebenso charakterisch. Unsere Aufnahmekapazität ist gering.
Im Präsenzmodus hingegen ist unser Verhalten und unsere Wahrnehmung eher überlegt, präsent, offen, neugierig, wendig, kreativ und wir fühlen uns vertrauensvoll verbunden mit allen. Unsere Aufnahmekapazität ist hoch. Das parasympathische Nervensystem (“Rest and digest”) ist häufiger aktiviert. Und wir sind eher fähig das Große Ganze zu verstehen, einen klaren Kopf, ein offenes Herz und ein starkes Rückgrat zu entwickeln und die schwierigen Fragen zu stellen.
Um also gemeinsam Großes zu schaffen, ist es sehr hilfreich, eine Arbeitskultur zu schaffen, in der sich alle darin gegenseitig unterstützen, vom Reaktionsmodus in den Präsenzmodus zu kommen.
Im Wise Impact Lab (kurz WIL) begleiten wir Unternehmen wie Deloitte, Deutsche Bahn oder eBay mit wissenschaftlich basierten und praxiserprobten Methoden dabei eine solche Kultur zu etablieren.
Hier zeigen wir euch einige Arbeitsroutinen, um euch und das Team über den Tag immer wieder vom Reaktions- in den Präsenzmodus zu bringen. Viel Spaß beim Ausprobieren!
1. Balance — Zuhause und Leben:
Es verschwimmen die Grenzen zwischen dem Ende der Arbeitszeit und dem Beginn des „normalen“ Lebens für viele. Mit Homeoffice ganz besonders. In Verbindung damit müssen viele von uns tagsüber verschiedene Rollen übernehmen: Lehrer für Kinder zu Hause, Liebespartner, Freundin, etc.. Für einige fiel mit dem Homeoffice der Weg zum innerlichen Übergehen von einer in die andere Rolle weg. Allerdings braucht unser Körper diese Wechsel. Sonst sind wir dauerhaft “on fire”, also im Reaktionsmodus.
Tipps:
- Pausen: Mach’ tagsüber regelmäßig Pausen und gönn dir Bewegung, draußen wie drinnen.
- Schaff’ dir eigene Rituale bspw. zu Beginn und Ende des Arbeitstag z.B. eine Minute in Ruhe verbringen und den Satz reflektieren und körperlich den Effekt nachspüren: „Ich habe mein Bestes gegeben, ich lasse jetzt los.“
- Wenn du an einem anstrengenden Tag von einer Rolle zur nächsten wechselst, z. B. vom Papa zum Teamlead im 1:1 Gespräch, nimm dir Zeit für drei Atemzüge. Entspanne deinen Körper ein wenig und frag dich: „Was ist momentan das Wichtigste?“
2. Nachrichten: Emails, Slack & Mobiltelefon
Im Homeoffice sind digitale Kanäle die Hauptquellen, um mit unserem Team Informationen auszutauschen. Dadurch steigt in uns gerne die Sucht Emails und Slacknachrichten sofort und ständig zu monitoren, nach dem Motto: Ich muss noch verfügbarer sein, noch mehr mitbekommen, was bei den anderen geht.
Vor der Pandemie schauten wir 36mal die Stunde in unser Emailpostfach. Einige Studien zeigen für die USA, dass ein Viertel von uns sogar unruhig werden, wenn sie mal drei Tage keine Emails gecheckt haben.
Achtsamkeitstraining erlaubt dir, diese Emailsucht einzudämmen und deinen Präsenzmodus wiederzuerlangen. Mit Training (z.B. tägl. 5-20min Atemmeditation oder Yoga) fällt es dir immer leichter, dir deiner Gedanken, Emotionen und deines Verlangens bewusst werden. Du kannst innerlich einen Schritt zurück gehen und dir den Kontext klarmachen, in dem du dich gerade befindest. Du schaffst es dann immer leichter, im nächsten Schritt abzuwägen, ob es jetzt der richtige Moment ist, die Nachrichten einzusehen oder bei der Tätigkeit zu bleiben, bei der du gerade warst.
Tipps:
- Pop-up Benachrichtigungen abstellen (Email, Slack, Mobiletelefon), um die Aufmerksamkeit auf der gewählten Aufgabe zu halten.
- Konkrete Zeiten für Email, Slack und (Mobil-)Telefon definieren. Es ist sehr zu empfehlen, die ersten beiden Stunden des Tages keine Emails oder Nachrichten zu checken. Diese Zeit sollte der eigenen Agenda gewidmet sein und z.B. fokussiert für Schreiben und Recherche genutzt werden.
- Vor Beginn und Absenden jeder Email: Drei Atemzüge spüren. Empfänger mit einer freundlichen und neugierigen inneren Haltung visualisieren: “Wie geht es dem Menschen wohl? Was beschäftigt ihn?” Die Haltung hilft, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Die Atemzüge erlauben dem Präfrontalkortex die Inhalte der Email nochmal zu prozessieren und etwaige Ideen oder Formulierungsspitzen zu identifizieren.
- Kommen in dieser Zeit Gedanken an andere Aufgaben (z.B. jmd. anzurufen, etwas zu auf LinkedIn oder anderen Seiten zu recherchieren), notiere dies auf einem “Nicht jetzt” Blatt oder digital in einem Notizenprogramm. So bleibst du bei deiner Aufgabe und vergisst deinen Gedanken nicht.